Knotenkunde, damit beschäftigen sich doch nur Alpinisten und Seeleute?
Weit gefehlt! Für den Bogenjäger ist das Wissen über so manchen Knoten nicht nur hilfreich beim Jagderfolg, sondern in manchen Szenarien überlebenswichtig! Die meisten Unfälle bei der Bogenjagd passieren durch Stürze aus erhöhten Positionen, meist dem Treestand, ermöglicht durch ungenügende Selbstsicherung. Aber auch in in anderen Bereichen der Bogenjagd ist die sichere Anwendung des richtigen Knotens von Bedeutung. In diesem Artikel möchte ich eine kleine Einführung in die mysteriöse Welt der Knoten- und Seiltechnik, zugeschnitten auf den Bogenjäger, geben.
Seile und Schnüre
Bevor wir aber Knoten knüpfen können, brauchen wir das richtige Seil oder die richtige Schnur. Auf dem Markt gibt es mittlerweile hochtechnische Produkte mit jeweils spezifischen Eigenschaften. Speziell bei Selbstsicherungseinrichtungen ist unbedingt auf die Auswahl eines dafür geeigneten Seils zu achten. Ich empfehle dringend ein Stück Kletterseil oder eine dicke Repschnur mit Zertifikat aus dem Fachhandel. Den „Kuhstrick“ also lieber zu Hause lassen.
Einige der Seile und Schnüre, die ich regelmäßig bei Ansitz auf Bäumen verwende
Statisch oder dynamisch – wie hätt´mas den gern?
Bei Kletterseilen wird zwischen statischen und dynamischen Seilen unterschieden. Dynamische Seile werden üblicherweise zur „Mannsicherung“ verwendet und dämpfen einen Sturz aus größerer Höhe, indem sie sich bis zu 40 Prozent dehnen. Statische Seile werden üblicherweise als Lastseile verwendet, haben viel weniger Dehnungsvermögen und sind deutlich steifer als dynamische Seile. Im Klettersport sind Stürze von mehreren Metern aufzufangen, was in unserem Fall normal nie vorkommt. Hier reden wir von Stürzen bis maximal einem Meter, wenn die Sicherheitsausrüstung richtig verwendet wurde.
ich verwende zur Sicherung statische Seile, weil diese sich kaum dehnen
Im ungünstigsten Fall kann es somit vorkommen, dass ein Jäger mit sehr looser Sicherung ins Seil stürzt und durch die Seildehnung plötzlich unter dem Sitz hängt und diesen nicht mehr erreichen kann, um sich hochzuziehen. Nicht ganz so gefährlich, aber unangenehm, ist dieser Dehnungsefekt bei dynamischen Seilen am treesaddle. Man schiebt den Prusikknoten zur Selbstsicherung ganz nach oben, hängt sich ins Seil und ist schon wieder 20 Zentimeter weiter unten. Daher verwende ich persönlich ein statisches Seil. Es ist aber unbedingt vor der „scharfen“ Anwendung zu prüfen, ob der Prusikknoten zur Sicherung am statischen Seil wirklich hält und nicht durchrutscht (weil steifer)!
Prusikknoten auf Sicherungsseil
Dick oder dünn?
Auf den Produktbeschreibungen zertifizierter Seile ist üblicherweise die Bruchlast angegeben. Vorsicht! – Knoten im Seil reduzieren diese Bruchlast, mehr dazu weiter hinten im Artikel. Ein weiteres Kriterium ist die Stärke der Repschnüre, die eventuell darauf mittels Prusikknoten angebracht werden (Durchrutschen – siehe vorangegangener Absatz) sowie die Mindesststärkenangabe des Abseilgeräteherstellers. Bedenke – das dünnste Glied in der Kette muss der Belastung standhalten und das Kletterseil ist, bildlich gesprochen, an der Spitze der Nahrungskette. Meiner Erfahrung nach reichen Hauptseile im Durchmesser zwischen acht bis zehn Millimeter (jeweils ca 42 bzw. 68 Gramm/Meter) Rechnet man mit einem Seil der Länge 10 Meter, beträgt der Gewichtsunterschied zwischen diesen beiden bereits ca. 260 Gramm!
Pflege, Lagerung und Ausscheiden
Ebenso hat die Pflege und Lagerung einen wesentlichen Einfluss auf deren Haltbarkeit. Generell sollen Seile nicht unnötig der Witterung und Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein. Der Kontakt mit Batterieflüssigkeit, Kraftstoffdämpfen, Schmiermitteln und aggressiven Flüssigkeiten ist zu vermeiden. Sobald die Seele, damit sind die vom Seilmantel geschützten, längstragenden Stränge bei Selbstsicherungsseilen gemeint, hervortritt, ist dieses spätestens auszutauschen.
Oben pelzig, unten bis zur Seele angeschnitten
Ein Austausch empfiehlt sich auch bei Seilen, die Sturzbelastungen über scharfe Kanten hinter sich haben. Da der Bogenjäger oft mit scharfen Klingen hantiert, empfehle ich ab und an eine Sichtprüfung auf unentdeckte Schnitte. Ein wenig „Pelz“ auf dem Seilmantel ist kein Grund für einen Tausch. Spätestens nach zehn Jahren aber würde ich wegen der Materialalterung meine Sicherungsseile tauschen.
Seile und Schnüre können nach Verschmutzung mit Seife im lauwarmen Wasser gewaschen werden. Die Waschmaschine ist dafür auch geeignet, allerdings muss diese vorher von sämtlichen Rückständen anderer Waschmittel gereinigt werden und das Seil muss aufgeschlauft und am besten in einem Wäschesack gewaschen werden, damit es keine Knoten wirft.
Einsatz?
Wo werden nun Seile und Schnüre öfter vom Bogenjäger eingesetzt? Bei der Selbstsicherung beim Aufbau vom Treestand oder beim Auf- und Abbaumen ( z.B. Linemans Belt), zur Selbstsicherung beim Ansitz auf erhöhten Positionen, beim Aufziehen des Bogens und der Ausrüstung auf den Baum, beim Aufhängen von Ausrüstungsgegenständen und beim Aufziehen von erlegtem Wild auf einen Baum.
Am Treesaddle kann man auch recht gemütlich sitzen, wenn man weiß, wie es geht
Knoten für Bogenjäger
Meines Wissens gibt es keine spezifischen Knoten nur für die Bogenjagd, wie etwa im Alpinismus oder der Schifffahrt. Also entlehnen wir uns von dort die wichtigsten.
zu beachten ist:
Eines haben alle Knoten gemein: Sie schwächen das Seil, an dem sie angebracht sind. Je nach Art des Knotens zwischen 20 und 42 Prozent. Das sollte bedacht werden bei der Auswahl des Seils. Besser etwas dicker!
Unter Belastung rutschen alle Knoten, bis sie „sitzen“. Umso lockerer geknüpft, umso mehr rutschen sie. Daher müssen Knoten händisch an den Einzelsträngen nachgezogen werden und mindestens das zehnfache des Seildurchmessers sollte am Ende des Knotens vom Seil überstehen. Wird der Knoten nicht mehr geöffnet, kann auch das Seilende stufenweise mit dem Feuerzeug erhitzt und zu einem Abschlussklumpen geformt werden.
Knotenenden müssen entweder den zehnfachen Durchmesser überstehen oder durch eine Verdickung am Durchrutschen gehindert werden
Selbstsicherung
Beginnen wir bei der wichtigsten Anwendung, der Selbstsicherung am Baumsitz oder Treesaddle. Um den Bewegungradius unter Sicherung zu erweitern, wird eine dicke Repschnur oder ein Kletterseil, entweder mit Knotentechnik oder noch besser mithilfe eines Gurtes, am Stamm ober dem Treestand angebracht. Dieses hängt dann mindestens so weit herunter, dass sich der Jäger, bevor er den Sitz betritt, darin mit seinem Sicherungskarabiner einhängen kann. Beim Treesaddle kann das auch bis zum Boden hängend sein, wenn man sich daran abseilen möchte. Allerdings wird das loose Ende in diesem Fall erst aus der Tasche genommen, wenn es wirklich ans Abseilen geht. Auf dem starken Seil wird eine Seilschlinge aus Repschnur mit Prusikknoten angebracht, der sehr kurz mit einem Karabiner mit dem Treestand Saftey Harness verbunden wird. Im Fall des Abseilens muss das ein Abseilgerät (z.B. Grigri von Petzl) sein. Ein Abseilachter ist eher nicht zu empfehlen, da man diesen erst aufbauen müsste.
ein einfacher Kreuzschlag
Halber Durchmesser
Der Durchmesser der Prusik-Repschnur darf nicht stärker als der halbe Durchmesser des Sicherungsseils betragen, da sonst der Knoten unter Belastung rutschen kann! Am unteren Ende des Sicherungsseils wird als Durchrutschsicherung ein Kreuzschlag gesetzt. Am oberen Ende wird das Sicherungsseil mithilfe eines Achterknotens am Baumgurt befestigt oder mittels Achterknoten um den Stamm geschlagen.. Die Bucht des Seils sollte so groß sein, dass der Gurt ohne Verwindung durchgeht.
Verschiedene Ausrüstungsgegenstände, wie beispielsweise der Rucksack oder der vom Bogen abgenommene Pfeilköcher, müssen ebenfalls an den Ästen des Baums gegen das Herunterfallen gesichert werden. Am besten bereits vorbereitete Schlingen oder einen Materialhängegurt aus dem Fachhandel verwenden. verwenden. Seilschlingen können mit dem sogenannte Spierenstich gemacht werden. Achtung – werden zwei unterschiedliche Seile mit dem Spierenstich verbunden, so müssen diese den gleichen Durchmesser haben. An meinem Jagdrucksack habe ich fix eine Repschnur an den Henkel gebunden. Sehr schnell kann ich diese um einen Ast wickeln und mit dem daran befestigten Karabiner sichern.
Ich verwende zum Auf- und Abfieren meines Bogens eine acht Meter lange, dünne Repschnur, die mit einem Karabiner an meinem safety-harness oder am treesaddle befestigt ist. Am anderen Ende sitzt ein mittels Achterknoten befestigter, kleiner Karabiner. Diesen hänge ich dann in eine weitere Schlaufe, die ich fix am Bogen montiert habe, ein.
zwei Seilenden verbunden durch den Spierenstich
Improvisierter Flaschenzug
Wenn es nötig ist, das geschossene Wild vor Aasfressern in einen Baum in Sicherheit zu bringen oder auch nur, um es bequem zerwirken zu können, muss es mithilfe eines Seils hochgezogen werden. Bei starken Stücken ist das im Feld ohne Flaschenzug nicht möglich. Ein Flaschenzug ist mit einfachen Mitteln schnell gebaut. Rechnet man schon damit, diesen aufbauen zu müssen so empfiehlt sich im Alpin-Sportgeschäft die spezielle Ausrüstung (Umlenkrollen, Rücklaufsperre) zu kaufen.
Es kann aber auch mit Seil und Karabiner improvisiert werden. Die Minimalversion kommt mit einem Seil, einer Bandschlinge und zwei Karabinern aus. Ein Seilende wird mittels Achterknoten an einem starken, waagrechten Ast fixiert. Am selben Ast wird mit Ab-stand mit einer Bandschlinge ein Karabiner positioniert. Dann mit dem Seil eine Bucht formen, das lose Ende durch den fixen Karabiner schlaufen und in die Bucht den beweglichen Karabiner einhängen. Den beweglichen Karabiner nun bis zum Boden ziehen, das Stück ein-hängen und am losen Ende nach oben ziehen. Rücklaufsperre gibt es bei dieser Version nicht.
Ist das Stück hochgezogen wird das lose Ende mit einem Bulin (naut. Palstek) oder einem Mastwurf an einem Ast oder einer Wurzel festgemacht. Die aus dem Alpinismus entlehnte Bandschlinge ist übrigens sehr vielseitig einsetzbar. Damit kann ich den Bogen beim Hochklettern schnell am Körper fixieren, leichtes Wild an einem Ast aufhängen, diese als Trageschlaufe für schweres Gerät verwenden und vieles mehr.
Anschauungsmodel improvisierter Flaschenzug
Das eingebundene Loop an der Sehne
Eine Knoten-Anwendung verfolgt den Bogenjäger immer wieder. Das eingebundene Loop! Es gibt hier zwei Knoten, die zur Anwendung kommen können. Der Ankerstich (der am häufigsten verwendete Knoten für diese Anwendung) und der Mastwurf. Bei einseitiger Belastung hält durch Selbsthemmung nur der Mastwurf wirklich! Der Ankerstich rutscht, wenn das unbelastete Ende nicht durch Anbrennen mit einem Feuerzeug verdickt wird.
der Ankerstich
der Mastwurf
Mit der sicheren Handhabung der beschriebenen acht Knoten sollte der Bogenjäger eigentlich für jede Situation gerüstet sein. Sicherlich gibt es auch andere Knoten, die Verwendung finden können. Meiner Meinung nach sind diese aber die einfachsten und sichersten, jahrzehntelang bewährten Knoten;
und so sollte es sein: „KISS – keep it stupid simple!“