Erhöhte Ansitzeinrichtungen und Sicherheit

Ich jage seit mehr als 10 Jahren, Sommer und Winter, bevorzugt von treestands, Leitersitzen und in den letzten Jahren sehr oft von treesaddles und habe bis heute glücklicherweise noch keine ernsthafte Verletzung dabei davongetragen. Allerdings hatte ich einige kritische Momente, Beinahe-Unfälle und auch durchaus Glück im Unglück, wenn ich einen Sturz unbeschadet überstanden habe. In diesem Artikel gehe ich auf die unterschiedlichen Ansitzeinrichtungen und die Sicherungsmaßnahmen ein und erzähle im letzten Teil des Artikels auch von den Fehlern, die ich dabei gemacht habe, so dass ihr davon profitieren könnt. Ergänzend zu diesem Artikel empfehle ich, den Artikel Seil- und Knotentechnik für Bogenjäger zu lesen, den ihr ebenfalls auf dieser Website findet.

Safety first beim Jagen von erhöhten Ansitzeinrichtungen

Safety first

Ab wann beginnt eigentlich meine Sicherung und wo ist sie nicht unbedingt notwendig? Laut §7 der Bauarbeiter Schutzverordnung ist eine Absturzsicherung ab zwei Meter Fallhöhe anzubringen. Für besonders erfahrenes und geschultes Personal ab fünf Metern.
Aber es kommt, wie so oft, auf die Umstände an. Ist der Jäger durch viel Ausrüstung unbeweglich, ist es nass oder rutschig, der Boden unter dem Baum durch spitze Steine besonders gefährlich oder stark abschüssig? Wie ist der als Ansitz auserkorene Baum beschaffen? Gibt es vom Boden weg viele, dichtbewachsene Äste, wie das bei Tujen (zb. In Spanien) der Fall ist, kann man gegebenenfalls gänzlich auf eine Sicherung verzichten. Diese wäre unter diesen Umständen sogar eher hinderlich. Bei glatten, astlosen oder rutschigen Stämmen, wie das bei Eichen und insbesondere bei Buchen der Fall ist, muss mitunter schon ganz unten mit der Sicherung begonnen werden.

Laut der Jagdunfall Statistik der International Hunter Education Association (IHEA) aus dem Jahr 2020 gab es in den USA deutlich mehr Verletzte und Tote Jäger durch Stürze von treestands als durch Feuerwaffen. Jährlich fordern treestand-Unfälle in den USA 300 bis 500 Todesopfer und durchschnittlich 6.000 verletzte Jäger. 80% der Unfälle passieren beim Auf- oder Abbaumen . Die Gründe sind fehlende oder ungeeignete Sicherheitsausrüstungen oder mangelhafte Handhabung. Eine Unfallstatistik deutschsprachiger Jäger liegt mir nicht vor, ich gehe aber davon aus, dass der Prozentsatz deutlich darunter liegt, weil der Ausbildung in unseren Landen viel mehr Wert beigemessen wird.

Die Anwendung muss unter kontrollierten Bedingungen geübt werden

Generelle Anmerkungen zur Sicherheit:

Wie wir im vorangegangenen Absatz gelernt haben, passieren die meisten Unfälle beim Auf- oder Abbaumen. Der allergrößte Teil dieser Kategorie ist beim Abbaumen zu finden, warum ist das so?
Das Abbaumen geschieht nach stundenlangem Ansitz. Der Jäger ist dann müde und oft bis auf die Knochen durchgefroren. In den meisten Fällen passiert das Abbaumen im Dunkeln. Dazu kommt, dass es einfacher ist, auf einen Baum raufzuklettern als wieder runterzuklettern. Diese Tatsache muss sich der Jäger jedes Mal erneut in Erinnerung rufen, um dem Abstieg die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

Die beste Versicherung gegen derartige Unfälle ist Übung, Übung und nochmals Übung! Die Handgriffe müssen automatisch erfolgen, ohne über Knoten oder Reihenfolge nachdenken zu müssen. Gleich wie beim Autofahren, wo das Rauf- und Runterschalten und das Kuppeln im Unterbewusstsein ausgeführt wird. Der korrekte Übungsaufbau ist vom Leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten.

Sobald ein neues Ausrüstungsteil ins Spiel kommt, testet dieses ausführlich unter optimalen Bedingungen in geringer Höhe. Überlegt euch einen Rettungsplan, falls es doch zu einem Unfall kommt. Dazu gehört das Vorbereiten bzw. Auslösen der Rettungskette (z.B. sende deinen Standort an eine Vertrauensperson, sobald du bei „deinem“ Baum angelangt bist, hast du keinen Empfang, solltest du vorher schon jemanden Bescheid gesagt haben, der weiß, wie man dort hinkommt, usw…). Ebenfalls solltet ihr Selbstrettungsmaßnahmen vorher planen und gegebenenfalls üben. Dazu mehr weiter hinten.

Verwendet nur hochqualitative und möglichst zertifizierte Ausrüstungsgegenstände, wenn sie sicherheitsrelevant sind. Größte Vorsicht ist geboten bei No-Name Produkten auf Onlineversandseiten. Da der Großteil der treestands aus den USA kommen, empfehle ich vorher einen Blick auf die Homepage der treestand Manufacturer´s Association (TMA) zu werfen. Dort sind, neben den zertifizierten treestands und Sicherungsgeschirren (Safety Harness) auch die recalls zu finden, wenn Qualitätsprobleme aufgetreten sind.

Sehr oft sind Sicherungsgeschirre bei den erworbenen treestands inkludiert. Diese sind meist sehr einfach und billig gemacht und recht umständlich anzulegen und einzustellen. Hier empfehle ich ebenfalls, ein besseres harness mit Schnellverschlüssen und Polsterungen zu kaufen.

Der sichtbare Unterschied, zwischen einem Hochwertigen harness (links) und einem minderwertigen (rechts), dass bei einem treestand aus den USA dabei war

Außerdem ist es notwendig, die treestands, Gurte und Sicherungsgeschirre regelmäßig optisch auf Korrosion, Abnützung und Risse zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig auszuscheiden (lest dazu mein beschämendes Erlebnis am Ende des Artikels).
Verwendet zum Baumklettern am besten flexible Bergschuhe, in denen ihr guten Halt habt. Gummistiefel oder klobige Bergschuhe sind für die meisten Fälle nicht nur unangebracht, sondern auch gefährlich.

Die UV-Strahlen der Sonne wirken sich auf Dauer negativ auf die Festigkeit von Seilen und Spanngurte aus. Daher sind deutlich ausgebleichte Gurte und Seile unbedingt durch neue zu ersetzen.

Es ist oft mühsam, sich die Utensilien für diese Jagdmethode zu besorgen, da der allergrößte Teil in den USA hergestellt wird und es in der europäischen Union nur sehr wenige Fachgeschäfte gibt. Sehr gute Erfahrungen habe ich mit einem kleinen, aber feinen Handelsunternehmen aus Dänemark gemacht. Die Betreiber des Bowgearshop sind selbst begeisterte treestand- and treesaddle Jäger, die gerne mit Rat und Tat unterstützen!

Das Thema Seil- und Knotentechnik habe ich in einem anderen Artikel, zu finden auf bogenjagdpraxis.de, ausführlich behandelt.

Die Auswahl des richtigen Baumes

Hier gehe ich nur auf sicherheitstechnische Aspekte ein und lasse jagdtechnische Aspekte außen vor.
Als erstes muss gecheckt werden, ob der Baum abgestorben ist oder nicht. Auf einen toten Baum zu klettern, der umstürzen könnte, ist lebensgefährlich. Es dürfen sich ebenfalls keine toten Bäume oder abgestorbene Äste in Schlagweite des auserkorenen Ansitzbaumes befinden.
Als nächstes wird die Beschaffenheit der Rinde begutachtet. Speziell im Winter können Klettereinrichtungen an glatten, gefrorenen Stämmen abrutschen (siehe dazu im letzten Teil meinen glimpflich verlaufenen Unfall). Auch sehr harzige Stämme können die Funktion der Kletterhilfen stark beeinträchtigen.
Die Dicke des Stammes stellt ein weiteres Kriterium dar. Zu dünn, besteht, neben der Gefahr des Abbrechens, auch die Möglichkeit, dass keine ausreichende Spannung mit den Gurten auf den Baum gebracht werden kann und diese dann bei Belastung durchrutschen. Der Baum sollte auch nicht wesentlich dicker sein, als der Jäger mit seinen Armen umspannen kann. Das Anlegen der Spanngurte und des Lineman´s Belt gestaltet sich sonst in luftiger Höhe zu einem gefährlichen Trapezakt.

Zu guter Letzt noch die Form des Stammes und der Äste. Mit Klettersitzen können nur halbwegs gerade und möglichst astlose Stämme erklommen werden. Im Weg stehende Äste müssen mit einer Baumsäge entfernt werden. Ist der Stamm sehr schief, gestaltet sich der Aufstieg mit jeder, der unten angeführten Methoden sehr anstrengend bis gefährlich. Der Teil des Stammes, an dem schließlich der Sitz angebracht werden soll, muss jedenfalls senkrecht stehen, sonst wird es ein sehr ungemütlicher Ansitz, egal ob mit einem treestand oder einem treesaddle.

Vor dem Aufbaumen muss der Zustand des Kletterbaumes und der Bäume in Schlagweite geprüft werden

 

Was tun, wenn ich in die Selbstsicherung gefallen bin?

Die Antwort ist – ich habe hoffentlich gut vorgesorgt. Nicht im Sinne einer Ablebensversicherung, sondern in der Auswahl meiner Ausrüstung und wie ich meine Sicherung angebracht habe.
Spielen wir den Fall mal durch. Ihr hängt jetzt in eurem Sicherungsgeschirr und könnt euch schnell wieder auf eure Plattform oder eine der Aufstiegshilfen retten. Alles in Ordnung, Kapitel zu Ende.
Wenn das aber nicht der Fall ist, dann geht es hier weiter. Die Sicherung war entweder zu lange und ihr hängt nun so unter der Plattform, dass ihr euch mit eigener Kraft nicht mehr raufziehen könnt. Probiert das mal in voller Ausrüstung, ich kann es nicht. Eine andere Möglichkeit ist, dass ihr das Sicherungsseil nicht am Stamm, sondern an einem ausladenden Ast befestigt habt und nun „ausgependelt“ seid. Ab diesen Zeitpunkt kann ich nur hoffen, dass ihr euch für ein qualitativ hochwertiges Sicherungsgeschirr entschieden habt, denn nun beginnen die Beingurte schön langsam aber sicher schmerzhaft in die Oberschenkel zu schneiden. Viel schlimmer aber ist, dass, falls ihr über längere Zeit (bewusst keine Zeitangabe, da von Fall zu Fall verschieden) ein Hängetrauma droht. Dieses wird durch das Absacken des Blutes in die unteren Körperregionen provoziert. Da die Muskelpumpe der Beine in dieser Situation nicht mehr funktioniert, kann das Blut nicht mehr nach oben Richtung Herz zurückgepumpt werden. Mehrere Stunden so hängen zu müssen, kann lebensbedrohlich sein.

Qualitativ hochwertige Sicherungsgeschirre haben meist eine Steigschlinge integriert. Das ist, einfach gesagt, ein Stück Seil mit zwei Trittschlaufen. Dieses fädelt man in den Bauchgurt und kann sich so, gegen das eigene Körpergewicht, mit den Füßen abstützen. Auch nicht gemütlich, aber die Muskelpumpe wird aktiviert.

Auf weitere Möglichkeiten (Abseilvorrichtungen, Bergsteiger-Seilleiter, etc…) möchte ich hier nicht näher eingehen, da es den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.
Ich ermuntere euch, sich selbst Gedanken zur Selbstrettung nach einem Fall zu machen und unter geschützten Bedingungen zu üben.

Rauf und Runter

Ein unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand beim Auf- und Abstieg ist der Lineman´s Belt.
Als Lineman werden in den Staaten jene rauen Gesellen bezeichnet, die bei jedem Wetter auf Strommasten klettern um dort Kabel zu montieren oder zu reparieren. Für diese harte Aufgabe an den glatten Pfosten wurde ein Sicherungsgurt entwickelt, der als Lineman´s Belt in die Geschichte eingegangen ist. Es muss kein ausgewachsener, speziell dafür hergestellter Klettergurt sein, sondern es genügt schon ein sehr stabiler Gürtel mit zwei fix montierten Schlaufen auf der linken und rechten Seite. Besondere Vorsicht ist geboten bei normalen Alpinklettergurten. Die seitlichen Schlaufen sind bei den allermeisten dieser Art nur für das Einhängen von Equipment gedacht! Für die Selbstsicherung sind diese Materialschlaufen weder vorgesehen, noch geeignet!

Der Lineman´s Belt ermöglicht das Arbeiten mit beiden Händen und gibt Sicherheit

Qualitativ hochwertige Ganzkörper-Sicherungsgurte für die treestand-Jagd, haben üblicherweise solche Schlaufen für den Lineman`s Belt verarbeitet und bei treesaddles und speziellen Gurten für das Baumklettern sind diese ebenfalls vorhanden.
Der Linemans´s Belt erlaubt einerseits relativ gemütlich, in leichter Rückenlage und ohne viel Kraft für den Stand aufwenden zu müssen, beide Hände frei zu haben und andererseits ist er eine recht einfache Absturzsicherung während des Auf- oder Abstiegs vom Baum. Das Seil, welches auf einer Körperseite, direkt über dem Hüftknochen, in den Gürtel eingehängt ist, wird um den Baum geschlagen. Auf der gegenüberliegenden Körperseite wird das Seil über eine Prusikschlinge oder noch besser mit einer mechanischen Seilklemme (positioner) aus dem Kletterzubehör in den Gürtel eingehängt. Mit dieser einfachen Vorrichtung kann das Sicherungsseil sehr bequem und lautlos auf die jeweils richtige Länge justiert werden. Oben angekommen, wird dann die fixe Absturzsicherung hoch über dem Kopf des Jägers angebracht und eingehängt, dann kann der Lineman´s Belt abgenommen werden. So ist der Jäger keinen Moment ohne Sicherung.

Transportable climbing-sticks in verschiedenen Ausführungen

Wie bei den treestands und treesaddles gibt es auch bei den Auftstiegshilfen, je nach Fitnesslevel und Transportmöglichkeit, unterschiedliche Ausführungen.
Die platzsparendste Variante sind die screw-steps – Stahlhaken mit einem kegeligen Schraubgewinde, die mit der Hand bis zum Anschlag in den Baum gedreht werden. Die sollten aber nur nach Absprache mit dem Waldeigentümer Verwendung finden, da dem bestiegenen Stamm tiefe Löcher zugefügt werden. Als nächstes kommen Stahlbügel oder kurze Stahlleitern (climbing-sticks), die ohne Schrauben mit Spanngurten, Zug um Zug, dem sportlichen Jäger den Aufstieg in luftige Höhen ermöglichen. Ein geübter Jäger kann seinen Baumsitz mithilfe dieser Aufstiegshilfen in wenigen Minuten aufbauen und innerhalb einer Viertelstunde „einsatzbereit“ sein. Es reichen schon drei bis vier dieser tragbaren Leitern um auf eine Ansitzhöhe von fünf Metern zu kommen.

 

Aufstiegshilfen von links nach rechts: screw-step / step-ladder / climibing-stick lightweight / climbing-stick normal

Bei so manchem semi-mobilen treestand, der über einen längeren Zeitraum an einem Baum befestigt ist, wird gerne eine durchgehende Kletterhilfe aus Stahlrohren verwendet, bei der es aber schwierig ist, sie alleine durch den Wald bis zum Ansitz zu transportieren. Die meisten dieser Leitern sind Marke Eigenbau. Eine Gefahr, die solche Leitern bergen, ist der ungewollte Aufstieg von zufällig vorbeikommender Dritter, wenn der Jäger nicht auf seinem Stand ist.

Eine Alternative besteht darin, geteilte sticks zu verwenden und nur den untersten abzumontieren und mitzunehmen. Achtung – beim Neubezug des Sitzes den stick nicht zuhause vergessen! Ist mir selber schon mehr als einmal passiert – das frustet richtig!
Ich mag Aufstiegshilfen, die leicht und nicht sperrig sind. Es kann schon richtig nerven, wenn man versucht möglichst leise zu seinem Ansitzbaum zu kommen und die metallenen Steighilfen, welche in der Hand oder über der Schulter getragen werden, bei der kleinsten Berührung klimpern. Mittlerweile verwende ich sehr leichte und kurze sticks aus Aluminium mit je zwei steps. An diesen sind Strickleitern mit drei bis vier weiteren Tritten angebracht. Die sind relativ teuer in der Anschaffung, zahlen sich aber aus.

Aufstieg mit der step-ladder

Das Prinzip ist einfach und die Komponenten vergleichsweise leicht und handlich, allerdings muss die Montage und Handhabung unbedingt vor dem „scharfen“ Einsatz so geübt werden, dass es ohne Nachdenken und auch unter widrigen Bedingungen funktioniert. Der Hersteller des Produktes, welches ich getestet habe, war so schlau und hat den Befestigungsknoten auf der Transporttasche abgedruckt, was mir bei den ersten Malen sehr geholfen hat. Als recht „tricky“ hat sich allerdings die korrekte Position und Seilspannung herausgestellt. Als ich den ersten step nach oben verlassen hatte, und er nicht mehr von meinem Gewicht nach unten gedrückt wurde, klappte er von selbst hoch und ich hatte dann zu kämpfen, meinen Abstieg unfallfrei zu absolvieren. Ist die Kombination aus Winkel des Seils und Spannung der Befestigung aber korrekt, so hält der step bombenfest. Die einzelnen steps werden so hoch gehängt, dass man mit der Bergsteiger – Seilleiter, die mit einem modifizierten Karabiner oder Hacken eingehängt wird, noch hochsteigen kann. Die Bergsteiger – Seilleiter ist mit einem Seil am Körper gesichert und wird von einem step zum nächsten mitgenommen. Den wenn einem die runterfällt, dann sollte man sich auf einen Abstieg a lá Tarzan einstellen.

Aufstieg mit der step-ladder

Weniger geht nicht – lightweigth-hunting

Diese Methode verwende ich in Kombination mit einem treesaddle und einer kleinen Plattform, an der eine Strickleiter montiert ist. Die Plattform montiere ich vom Boden aus so hoch über Kopf, wie es die Länge meiner Arme erlaubt. Dann schlinge ich den Lineman´s Belt um den Baum und klettere die Strickleiter hoch, bis ich mit beiden Füßen auf der Plattform stehe. Der nächste Schritt ist die Montage des Sicherungsseils, ebenfalls so hoch über mir wie möglich. Bin ich in dieses eingehängt (Anschlag vorne), löse ich den Lineman´s Belt, drehe mich so weit nach unten, bis ich die Befestigung der Plattform fassen und lösen kann und montiere dann die Plattform wieder hoch über mir. Dieser Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden. Es müssen keine steps mit rumgetragen werden. Abgebaumt wird dann mit dem GriGri am Sicherungsseil, das natürlich bis zum Boden reichen muss. Das Sicherungsseil ziehe ich dann mit einer Repschnur ab, die ich vorher daran angebracht habe. Damit das Sicherungsseil (es wird in diesem Fall durch einen stabilen Schraubkarabiner gezogen, nachdem es um den Baum geschlagen wurde) nicht von selbst durchrutscht, habe ich mir aus einem alten Küchenschneidbrett eine Klemmgabel gebastelt.

Lightweight Hunting nur mit der Plattform ohne steps

Die selbstgebaute Klemmgabel aus einem Schneidbrett im Bild oben hellgrün

Abseilen mit dem Abseilgerät

Das Sicherungsseil wird mit Hilfe einer Repschnur vom Baum abgezogen

Baumpfleger Kletterprofis

In den allermeisten mir bekannten Fällen wird bei der Jagd mit diversen climbing-sticks oder mit der Ansitzeinrichtung selbst (climber) geklettert. Einige Profis aus dem Baumpflegerbereich machen das auch mittels Einfachseil- oder Doppelseilmethode, indem sie mit einem Wurfgewicht eine dünne Schnur über einen Ast, hoch oben am Baum, werfen und das Hauptseil daran hochziehen. Auf diese Methode gehe ich hier nicht ein, da ich keine Erfahrung damit habe.

Zusammenfassung rauf und runter

In diesem Kapitel bin ich auf die verschiedenen Auf- und Abstiegsmöglichkeiten für Baumsitze eingegangen. Einige sind recht einfach und andere sind eher für erfahrene Kletterer mit guter körperlicher Voraussetzung gedacht. Bitte wählt eure Art der Baumbesteigung nach einer ehrlichen Selbsteinschätzung aus. Besser ist es, mit einer einfacheren Methode zu beginnen und sich langsam zu steigern.

Ansitzeinrichtungen auf Bäumen

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den mir bekannten Ansitzeinrichtungen, die ich selbst regelmäßig verwende.

Mit Gurten befestigte Hochsitze (hang-on treestands)

Der am häufigsten verwendete ist wohl der hang-on treestand. Er besteht aus dem eigentlichen Sitz (in der Regel klappbar), eine meist recht spartanische Sitzgelegenheit mit einer nicht viel größeren Gitterplattform für die Füße und einem Spanngurt zur Befestigung am Stamm des Ansitzbaumes.

Es gibt bei den hang-on treestands auch luxuriösere Varianten, sogar mit Drehsessel und Armlehnen, die sind aber eher „semi-mobil“. Der Aufbau ist wegen deren Umfangs und Gewichts um einiges aufwändiger als der von spartanischen Sitzen. Auf der anderen Hand gibt es recht reduzierte und dadurch leichte Ausführungen von treestands, bei denen die leichtesten etwas über vier Kilogramm wiegen. Diese kann man über viele Kilometer am Rücken ins Hinterland transportieren. Oft sind sie so ausgeführt, dass sie sogar als Kraxe für den Transport der restlichen Ausrüstung oder des erbeuteten Wildes verwendet werden können. Übliche Materialien von treestands sind Stahl oder Aluminium.

Aufbau des Sitzes:
Ist der Jäger mittels climbing-sticks auf der Höhe angekommen, in der er den treestand montieren möchte, muss er sich mit dem Lineman´s Belt sichern und den Sitz entweder mit einer Schnur hochziehen oder vom Rücken nehmen. Der Sitz sollte seitlich, etwa 90 Grad versetzt zu den climbing-sticks mittels Spanngurt am Baum montiert werden. Der Sitzteil ist dabei hochgeklappt. Nachdem der Spanngurt bestmöglich angezogen wurde, wird der Sitz heruntergeklappt und presst so die Einrichtung noch fester gegen den Baum. Es ist darauf zu achten, dass nach erfolgter Montage der Sitz ausschließlich von oben betreten wird!. Bringt man das Eigengewicht über eine seitliche Bewegung auf die Plattform, so kann diese leicht verrutschen und man steigt ins Bodenlose. Der nächste Schritt ist die Montage des Sicherungsseils und das Einhängen in dieses, erst dann kann der Lineman´s Belt abgenommen werden.

Vor- und Nachteile:
In einem hang-on treestand kann man viele Stunden recht gemütlich sitzen. Nötigenfalls kann man auch aufstehen und auf der Trittfläche stehend schießen, wenn es der Standort des Wildes verlangt. Mit dieser Art von Ansitzeinrichtungen kann man auch Bäume erklettern, die starke Äste am Stamm aufweisen, die nicht abgesägt werden können. Der hang-on treestand kann temporär am Baum belassen werden.
Nachteile sind das relativ hohe Gewicht von Sitz und Kletterhilfen. Sie sind sperrig und laut, da in der Regel aus Stahl oder Aluminium. Muss im Sitzen geschossen werden und das Wild steht nicht im perfekten Winkel, so muss der Jäger eine unnatürliche Haltung einnehmen, was oft schlechte Schüsse provoziert.

hang-on treestand

Klettersitze (climber)

Ein anderer Typ treestand ist der sogenannte climber. Wie der Name schon verrät, wird der zweiteilige Sitz selbst als Aufstiegshilfe benutzt. Mithilfe einstellbarer Stahlseile, die um den Stamm gelegt werden, kann so fast jeder Baum erklommen werden. Einschränkungen gibt es bei rutschiger Rinde, sehr krumm gewachsenen oder zu dicken oder dünnen Stämmen. Mehr als beim hang-on treestand muss beim climber schon im Vorfeld darauf geachtet werden, dass keine dicken Äste am Stamm das Weiterkommen nach oben verhindern. Dünnere Äste können mit einer mitgeführten, kleinen Baumsäge entfernt werden.

Aufbau:
Die beiden Teile des Klettersitzes werden mit den integrierten Stahlseilen so am Stamm montiert, dass sie schräg nach oben stehen. Da sich der Stamm nach oben hin verdünnt, würde bei waagrechter Montage am Ende der Jäger schräg nach unten hängend sitzen. Ein lebenswichtiger Schritt ist die Verbindung der beiden Teile mit der mitgelieferten, flexiblen Leine. Vergisst der Jäger das, kann der untere Teil von den Füßen rutschen und den Stamm hinunterfallen. Der Jäger würde dann, mit den Unterarmen am oberen Teil abgestützt, frei hängen und hätte kaum eine Möglichkeit unversehrt wieder herunterzukommen, wenn er an keine Abseilmöglichkeit gedacht hat. Oben angekommen, wird sofort die Absturzsicherung montiert und der Sitzteil zusätzlich mit einem Spanngurt am Baum gesichert. Dann erst wird die Sitzfläche heruntergeklappt. Vorsicht, ist der Sitz nicht von oben durch das Gewicht des Jägers belastet, kann er leicht zur Seite wegrutschen (siehe einer meiner Unfälle im letzten Teil).

Vor- und Nachteile:
Den climber nutze ich meist für recht spontane Einsätze, wenn ich noch nicht genau weiß, wo ich sitzen werde. Ebenso ist der climber eine sehr gute Option, wenn der Wind dreht und man schnell abbaumen möchte, um auf der windabgewandten Seite der Lichtung oder des Wechsels wieder aufzusteigen. Üblicherweise hat der Climber weniger Gewicht als der hang-on treestand, da er keine zusätzlichen Aufstiegshilfen benötigt.
Dieser Stand kann vom Jäger nach der Jagd nicht am Baum belassen werden, so wie das mit dem hang-on funktioniert. Bezüglich Sperrigkeit und Lärmentwicklung verhält er sich ganz ähnlich wie der hang-on treestand. Der climber ist in Bezug auf die Auswahl des Ansitzbaumes am meisten von allen hier beschriebenen Ansitzeinrichtungen limitiert.

climber treestand

Baumsättel (treesaddle)

Für echte Puristen gibt es den sogenannten treesaddle. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine Sitztasche mit Absturzsicherungen. In dieser Sitztasche, die ein wenig an eine Schaukel oder eine Mini-Hängematte erinnert, kann einige Stunden mehr oder weniger gemütlich am Baum angesessen werden und der Jäger hat genug Bewegungsfreiheit, um sich für den Schuss auszurichten. Richtig montiert, bietet der treesaddle sogar 360 Grad Schussfeld, wenn er in Kombination mit einem ring-of-steps verwendet wird. Ein wesentlicher Unterschied zu den treestands besteht darin, dass der Jäger mit dem Gesicht zum Baum in der Textiltasche sitzt und sich mit den Füßen auf dem ring-of-steps oder einer Miniplattform steht. Zur Entlastung der Beine kann er sich auch mit den Knien am Stamm abstützen, dazu empfehlen sich aber Knieschützer, um diese Stellung über längere Zeit ohne Schmerzen durchhalten zu können.

Aufbau:
Den Aufbau habe ich im Teil Weniger geht nicht – Lightweigth Hunting schon beschrieben.

Vor- und Nachteile
Der treesaddle ist von allen hier beschriebenen Ansitzmöglichkeiten mit Abstand die leichteste und am wenigsten platzraubende Methode. Richtig angewendet, ist es wohl auch die schnellste Methode, um auf den Baum rauf- und vor allem runterzukommen (Abseilen). Ein weiterer Vorteil des treesaddles ist, dass sich der Jäger vor dem anwechselnden Wild hinter dem Stamm des Ansitzbaumes verbergen kann, um dann für den Schuss dahinter hervorzukommen. Richtig aufgebaut, ist ein Schussfeld von 360 Grad möglich und der Schuss selbst, da im Stehen ausgeführt, ist nicht so fehleranfällig.

Um mit dem treesaddle zu jagen braucht der Jäger eine fundierte Kletterpraxis sowie gute, körperliche Voraussetzungen. Bei starker Kälte ist es schwierig, sich warm zu halten. Ich habe mir einen Thermo-Overal so präpariert, dass ich ihn oben am Baum über das gesamte Equipment anziehen kann. Der Trick dabei ist es, die bridge, über die der Saddle mit dem Sicherungsseil verbunden ist, zweiteilig auszuführen und durch die von mir geschnittene Ösendurchlässe am Overall zu fädeln. So kann ich den Overall dann bis ganz oben mit dem Reißverschluss zumachen und habe dadurch kaum Wärmeverlust.

 

treesaddle

treesaddle im Winter – der modifizierte Overall ist nicht sehr figurbetont aber isoliert effektiv

Leitersitze (ladderstands)

Den Leitersitz kennen viele der Jäger im deutschsprachigen Raum. Übliche Höhen sind drei oder fünf Meter, die Ausführung aus Stahl oder Aluminium. Manche sind mehrteilig und müssen vor Ort zusammengebaut werden, andere sind wieder einteilig.

Aufbau
Nachdem der Leitersitz ordentlich zusammengebaut und verschraubt wurde, muss er aufgerichtet und an den Baum gelehnt werden. Die längeren Sitze haben in der Mitte der Leiter eine Strebe, mit der er am Baumstamm abgestützt und dann mit einem Spanngurt festgezurrt wird. Oben angekommen, wird der Sitzteil nochmals mit einem Spanngurt zum Baumstamm gesichert. Auch hier empfehle ich ein Sicherungsseil am Stamm anzubringen und sich mit dem bereits angezogenen Safety-Harness gegen Absturz zu sichern.

Vor- und Nachteile
Einmal montiert, kann der Jäger ohne große Anstrengung auf den Sitz klettern oder wieder abbaumen. Nötigenfalls kann von diesem Sitz auch im Stehen geschossen werden (unbedingt Selbstsicherung!). Für die meisten Sitze gibt es keine Bedenken, wenn sie eine ganze Saison im Revier belassen werden.
Von allen beschriebenen Ansitzeinrichtungen ist die Ansitzleiter die schwerste und sperrigste. Gerade bei den 5-Meter Leitern ist ein Aufbau ohne die Hilfe von Anderen kaum möglich. Die gefährlichsten Momente beim Aufbau sind beim Hochklettern, um den ersten und zweiten Spanngurt anzubringen und wenn eine Leiter nicht ganz senkrecht aufgebaut wird (siehe mein glücklicherweise glimpflich ausgegangener Unfall im letzten Teil). Beim Leitersitz ist die Anwendung des Lineman´s Belt unmöglich. Alternativ kann ein Sicherungsseil zwischen einem Ast über dem Sitz und einer Wurzel oder dem Baumstamm selbst straff gespannt werden, an dem man sich dann mittel Prusikknoten einhängt.

Leitersitz oder Ansitzleiter

Fehler – nochmals gut gegangen aber nicht ganz ohne!

In diesem Kapitel erzähle ich von ein paar meiner Unfälle und Ungeschicklichkeiten beim Hantieren mit den oben beschriebenen Ansitzeinrichtungen. Ich persönlich meine, aus gemachten Fehlern recht viel zu lernen und hoffe, dass diese Begebenheiten euch helfen, ähnliches schon im Vorfeld zu verhindern.

Vereiste Spanngurte – der Schnee im Heimatrevier hat meinen Fall gedämpft

Eine eiskalte Dezembernacht, die Sterne funkelten am Nachthimmel und der Altschnee glitzerte im Mondlicht. Ich hatte einen hang-on treestand auf einem Fichtenstamm, der am Rande einer Schlägerung stand, schon vor einem Monat montiert. Mehrfach hatte ich dort schon mit der Büchse angesessen und so war ich auch nicht sehr aufmerksam, als ich an diesem Tag gegen 06:00 Uhr morgens die stählernen climbing-sticks emporstieg. Den untersten stick hatte ich jedes Mal mitgenommen und im Auto liegen lassen, damit nicht ein zufällig vorbeikommender Waldspaziergänger auf die Idee kommt, um da mal raufzuklettern. Ich stand nun unter dem Sitz, bereitete meine Ausrüstung vor und band den climbing-stick um den Baum und zog ihn fest. Die beiden anderen sticks waren schon montiert und ich hatte mich entschieden, ohne den Lineman´s Belt hochzusteigen, da ich Zeit sparen, so wenig als möglich Lärm verursachen wollte und da schon zig-mal rauf und runtergeklettert war. Ich hechtete also eilig nach oben, die sticks fühlten sich eiskalt an meinen Händen ohne Handschuhe an. Beim zweiten stick hätte ich schon aufmerksam sein müssen, da er sich unter Belastung etwas schwammig anfühlte, ich wollte aber nur so schnell wie möglich rauf. Als ich auf den dritten stick stieg, kam dieser plötzlich in Bewegung und mit einem schnalzenden ziiiiggg klappte er nach hinten und ich fiel im freien Fall aus etwa vier Metern Höhe rücklings auf den Waldboden. Glücklicherweise war da einiges an Schnee und ich hatte den Platz vor meinem treestand von Ästen gesäubert. Der nächste Wurzelstock war glücklicherweise auch weit entfernt. Nachdem ich ganz verdattern wieder aufgestanden war und mir den Schnee aus der Kleidung geklopft hatte, machte ich einen Blick nach oben. Der climbing-stick hing dort am Spanngurt herunter, er selber hatte offensichtlich nichts. So stieg ich nochmals auf, dieses mal sehr vorsichtig, denn den Lineman´s Belt hatte ich zuhause gelassen.

Die amerikanischen climbing-sticks haben keine Spanngurt-Ratsche, so wie wir das von unseren Anschlagmitteln kennen. Das Schloss hat eine federbelastete, gezahnte Backe, die gegen den Gurt drückt und so normalerweise ein Durchrutschen verhindert. In diesem Fall war der Gurt komplett vereist und die Backe konnte damit nicht mehr funktionieren.

Seitdem versuche ich solche Verschlüsse, obwohl recht praktisch, bei wirklich sicherheitsrelevanten Anwendungen zu vermeiden und speziell bei Kälte mache ich bei den climbing-sticks vor Betreten noch einen Rüttelcheck.

Vorführeffekt – das Kabel des hang-on treestands ist gerissen

Ich bin geprüfter Instruktor für Bogenjagdprüfungen des Deutschen Bogenjagd Verbandes und halte jedes Jahr mindestens eine Prüfung ab. Dabei bringe ich immer viel Anschauungsmaterial mit und mache Vorführungen. Wie immer, hatte ich auch bei diesem Kurs im Sommer 2022 meinen alten hang-on treestand mit dabei. Bei mir liegt er unterm Jahr nur mehr in der Ecke, da ich ihn nicht mehr verwende. Für die Vorführung war er aber noch gut.

Vor versammelter Mannschaft baute ich diesen in einem Meter Höhe auf und machte die Prüflinge darauf aufmerksam, dass ein solcher Stand immer nur von oben betreten werden darf, was ich währenddessen auch zeigte. Mit einem dumpfen Geräusch riss eines der beiden Haltekabel der Plattform und ich kugelte sogleich wieder auf die Stelle zurück, von der ich aufgestiegen war. Aus Respekt lachten die Anwärter nicht sofort los, ein verschmitztes Grinsen konnte ich jedoch im Gesicht des einen oder anderen sehr wohl erkennen.

Ich war zu sorglos geworden. Überprüfte ich bis dahin die bei der Jagd verwendete Sicherheitsausrüstung mindestens einmal im Jahr, hatte ich den alten hang-on treestand geistig schon ausgemustert und daher nicht mehr gecheckt.

Wie die „kranke Leiter“ zu ihrem Namen kam

Ich habe, seit ich mit dem Bogen jage, immer Reviere in Ungarn bejagt, in denen ich meine eigenen Reviereinrichtungen aufbauen und betreiben konnte. Im Frühjahr 2023 kam ich so in ein neues Revier, wo mir der Berufsjäger Adam diese Möglichkeit bat. Gemeinsam kundschafteten wir mögliche Ansitzplätze aus und er half mir, die Ansitzleitern dort aufzustellen. Eine hatten wir schon montiert und nun ging es an die zweite, welche ich schon an verschiedenen Stellen in anderen Revieren stehen gehabt hatte. Nach dem Zusammenbau und dem Aufrichten der Leiter begann ich, mit dem Spanngurt in der Hand, eine Sprosse nach der anderen vorsichtig hochzusteigen, um mit dem Gurt die erste Hälfte der Leiter gegen den Stamm zu spannen.

Ohne Vorwarnung klappte die Leiter plötzlich zusammen, als ich mich auf etwa zweieinhalb Metern Höhe befand und ich fiel wie ein Stein zurück ins Eichenlaub, das dort den Boden bedeckte. Nach einer Schrecksekunde fragte mich Adam im ungarisch typischen Deutsch „ist Leiter krank?“ Wir mussten beide lauthals lachen und so heißt dieser Platz seitdem der Kranke-Leiter-Sitz.
Nachträglich betrachten haben hier mehrere Faktoren zusammengespielt. Erstens war die Leiter durch jahrelangen Einsatz, mehrfaches Auf- und Abbauen und durch die Einwirkungen des Klimas wohl schon strukturell geschwächt. Zweitens hatte ich sie nicht ganz senkrecht an den Baum gelehnt, weil mir das den Erstaufstieg vereinfachte.

Unbelastet funktioniert der climber anders

Meinen ersten climber hatte ich 2015 gerade eben gekauft und war nun ganz erpicht, diesen auch in der Praxis auszuprobieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt, so dachte ich zumindest, bereits ein erfahrener treestand-hunter, allerdings nur mit dem hang-on treestand. Mit der Funktionsweise des Climbers hatte ich mich wohl am Apfelbaum im Garten vertraut gemacht, nachträglich betrachtet aber viel zu wenig.
Ungarn, August und die Böcke trieben wie wild. Ich ging recht schnell mit dem climber am Rücken Richtung „Bühne“. So nannten wir den Brunftplatz inmitten des Waldes nahe Körmend, denn dort war immer etwas los. Eilig baumte ich acht Meter mit dem climber auf einem einzelnstehenden Baum inmitten der Lichtung auf und harrte gespannt der Dinge, die da kommen sollten. Nach einer halben Stunde begann ich zu fiepen und der territoriale Bock ließ nicht lange auf sich warten. Er trat aber nicht aus, sondern begann am Waldrand zu umschlagen. So stand ich ganz leise auf und drehte mich mit. Er verharrte und äugte aus seiner Deckung auf die Lichtung – nichts zu sehen. Etwa zehn Minuten später war er halbwegs entspannt und kam langsam, mal da und mal dort an einem Halm zupfend, aus der Deckung. Das war mein Auftritt. Ich wartete, bis er auf 15 Meter heran war, spannte außerhalb seines Gesichtsfeldes ganz langsam meinen Bogen und kippte in der Hüfte ab, um auf ihn anzulegen. Da ich freistand, suchte ich instinktiv Halt und lehnte mich gegen den Aluminiumrahmen des Sitzes. Dieser gab sofort nach, schwenkte nach links und ich stürzte nach unten. Im Fallen löste sich mein Pfeil und ging irgendwo ins Nirwana, bis heute weiß ich nicht, wo er gelandet ist. Glücklicherweise stoppte meine Selbstsicherung den Fall nach wenigen Zentimetern und ich hing neben meiner Plattform am Baum wie eine nasse Windel. Ich bin nicht sicher, wer sich mehr erschreckt hatte, der Bock oder ich. Dieser verließ den Platz meiner Schande jedenfalls augenblicklich mit weiten Sprüngen um dann, vom sicheren Waldrand aus, noch ein paar Minuten über mich zu schimpfen.

Obwohl ich den Sitzteil des climbers mit dem dafür vorgesehenen Gurt zusätzlich am Baum befestigt hatte, gab dieser seitlich nach, weil er keinen Druck mehr von oben hatte. Ohne Selbstsicherung wäre das wohl böse ausgegangen.

Abseilen, nachdem ich einen Bock geschossen hatte

Vor kurzem hatte mir mein Jagdfreund Stefan ein Video geschickt, in dem eine großartige Art sich mit dem Sicherungsseil abzuseilen und dieses dann mittels Repschnur abzuziehen, gezeigt wurde. Das musste ich auch haben und begann mir in meiner Werkstatt die Ausrüstung so nachzubauen (siehe Kapitel Weniger geht nicht – Lightweigth Hunting). Am folgenden Wochenende ging es sogleich ins Revier nach Ungarn und ich kletterte auf einem Baum bei einer langgezogenen Lichtung auf, wo ich zwei Rehböcke bestätigt hatte. Nach längerer Wartezeit trat der „Feuerbock“, so hatte ich ihn wegen seiner abnormen, mehrflammigen Trophäe genannt, dann auch aus und kam in mein Schussfeld. Standardablauf – er war mit den Lichtern hinter einem der wenigen, dünnen Stämmen auf der Lichtung und ich zog den Bogen auf. Da er stehen geblieben war, schoss ich ihn auf 18 Meter in dieser Position und er sprang ab. 15 Minuten später ließ ich meinen Bogen und meine Ausrüstung an den Repschnüren hinunter, hängte die Abziehleine in das Sicherungsseil und ließ mich mehr oder weniger elegant am Seil hinunter. Die Dämmerung war schon hereingebrochen und ich wollte unbedingt noch bei halbwegs gutem Licht den Anschuss inspizieren und eventuell mit der Nachsuche beginnen. Ich zog an der Repschnur aber das Seil bewegte sich nicht. Nach mehreren Versuchen ließ ich es sein und machte meine Anschussuntersuchung.

Am nächsten Tag kehrte ich zurück und sah nun meinen Fehler. Ich hatte das Sicherungsseil direkt über einer Astgabel um den Stamm gewickelt. Die Abzugsschnur hatte ich auch über die Astgabel gelegt und diese blockierte nun das Abziehen. Das Seil habe ich nicht mehr herunterbekommen. Es ist hier zwar nichts wirklich Gravierendes passiert. Das Beispiel zeigt aber, wie sich kleinste Unachtsamkeiten bei der Selbstsicherung zum Schluss auswirken können.