Inhalt
Autoren Kategorie
Categories: Autoren, Markus Groß
Die Reaktion des Wildes

nach dem Schuss

Im stetigen Bestreben nach jagd- bzw. schießtechnischer Perfektion und ethischer Verantwortung gegenüber dem Wildtier, kommt der Bogenjäger nicht umhin, sich auf die Tatsache einzurichten, dass die Beute mitunter auf den Bogenschuss reagieren kann, bevor der Pfeil sein Ziel erreicht. Es bedarf einer gut abgestimmten Mischung einiger Faktoren wie Schießvermögen, physische und psychische Belastbarkeit und nicht zuletzt viel Erfahrung, um die Wahrscheinlichkeit eines suboptimalen Treffers gegen Null zu minimieren. Dabei soll der folgende Beitrag einige Hilfen und Denkanstöße liefern.

Extreme Sports Jet Skiing

Der Mythos vom

Der Mythos vom

„Hiss of Death“

„Hiss of Death“

Die theoretische Diskussion

Der Mythos vom „Hiss of Death“
Auf den einschlägigen Internetforen, sowie bei entsprechenden „Lagerfeuerdiskussionen“, liest und hört man immer wieder von der Reaktion des Wildes auf das Schussgeräusch des Bogens bzw. das Fluggeräusch des Jagdpfeils. Im Gegensatz zum Büchsenprojektil bewegt sich ein Jagdpfeil deutlich unterhalb der Schallgeschwindigkeit. Somit ist klar; der Bogenschlag als Warnsignal erreicht die Beute schneller als der Pfeil. Über die Betrachtung von Ursache und Wirkung existieren deutlich unterschiedliche Meinungen.

Extreme Sports Jet Skiing
Extreme Sports Jet Skiing
Zeitfresser Lautstärke

Manche Bogenjäger verbringen sehr viel Zeit und Energie damit, den Bogen und die Pfeile so leise wie möglich zu gestalten. Nicht wenige dieser Jäger stören sich sehr oft am „Hiss of Death“, also dem „Rauschen des Todes“, welches ein Jagdpfeil verursacht, wenn er auf seinem Weg zur Beute die Luft zerschneidet. Man hört und liest zuweilen von diversen Tests, die unter anderem zur Wahl von Jagdspitze und Pfeilbefiederung herangezogen werden. So mancher Jagdspitzenhersteller hat sich schon anhören dürfen, dass seine Spitzen im Flug vermeintlich lauter rauschen als andere oder es werden eigentlich sinnvolle Befiederungen wieder verworfen etc.

Der Profitest

Mike Sohm, der Gründer und Firmeninhaber von Magnus Broadheads, macht mit solchen Kritikern gerne folgenden Versuch:

Der Kunde steht direkt neben einer Zielscheibe geschützt hinter einer Betonsäule. Ein Bogenschütze beschießt diese Scheibe auf eine Entfernung von 20 Metern. Der Kunde hat nun die Aufgabe, genau in dem Moment in die Hände zu klatschen, in dem er das Fluggeräusch des Pfeils wahrnimmt.

Interessanterweise dauert es immer einige Schüsse, bis sich der Kunde nur auf das Fluggeräusch konzentrieren kann und nicht schon beim Abschussgeräusch klatscht. Ist es dann mal soweit, dass er das Schussgeräusch ignorieren kann, hat es bislang noch niemand geschafft, vor dem Einschlag des Pfeiles die Handflächen zusammenzubringen.

Der private menschliche Test

Das Problem an den “privaten“ Tests ist meist, dass sie wenig bis gar nichts mit der eigentlichen Jagdsituation zu tun haben. Da gibt es Varianten, bei denen sich Menschen auf den Boden legen und über sich hinwegschießen lassen, um das Fluggeräusch „auszuwerten“ oder auch hinter einem Baum verstecken, welcher mehr oder weniger neben der Flugbahn zu einer Zielscheibe steht.

Abgesehen von der Gefährlichkeit, bieten solche Tests sehr viel Raum für Fehlinterpretationen.
Vor allem durch die Tatsache, dass der „Hörer“ stets seitlich versetzt zur Flugbahn steht oder das Geräusch wahrnimmt, welches der Pfeil tatsächlich zu einer Zeit erzeugt hat, als er bereits den „Hörer“ passiert hatte.

Der private Videotest

Tests, bei denen eine Videokamera direkt unter- oder oberhalb des Ziels angebracht wurde, machen da deutlich mehr Sinn. Bei der Auswertung wurde dies sodann mit den Werten verglichen, die sich ergaben, wenn die Kamera in gewissem Abstand neben dem Ziel positioniert wurde.

Gemäß der Schallausbreitung kommt man hierbei stets zu dem Ergebnis, dass man das Rauschen des Pfeils nur seitlich versetzt zur Flugbahn wahrnimmt, jedoch nicht am eigentlichen Ziel.

Ein befreundeter US-Amerikaner hat schon vor einigen Jahren einen ähnlichen Versuch unternommen und ist zu den selben Ergebnissen gekommen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Fluggeräusch des Pfeils für ein vorzeitiges Abspringen der Beute nicht nachweislich verantwortlich gemacht werden kann. Schon allein die Tatsache, dass das Abschussgeräusch des Bogens die Sinne des Wildes 3-mal schneller erreicht als der schnellste Jagdpfeil, lassen den „Hiss of Death“ als Ursache für eine Fluchtreaktion in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Der Sehnenschlag

Die lärminitiierte Fluchtreaktion des Wildes ist in erster Linie auf das Abschussgeräusch des Bogens zurückzuführen. Es ist anzunehmen, dass bereits die Art dieses mechanischen Geräuschs für das Wild wesentlich verstörender ist als das gleichmäßige Rauschen eines Pfeils, selbst, wenn es dieses Rauschen hören könnte. Ähnliches kennt das Wild bereits durch starken Wind, Insekten in den Lauschern oder durch Vögel, die dicht über das Haupt streichen.

Wie viel Zeit bleibt dem Wild?

Um einigermaßen exakt zu bestimmen, wie viel Zeit dem Wild bleibt, um eine Fluchtreaktion zu starten, müssen wir ermitteln, wie sich die zurückgelegte Strecke des Jagdpfeils in Relation zur Schallgeschwindigkeit verändert.

Die Schallgeschwindigkeit nimmt bei steigender Temperatur zwar durch die Verringerung der Luftdichte zu, jedoch für unsere Zwecke nur in einem vernachlässigbaren Ausmaß.

Bei einer angenommen Temperatur von 20° Celsius benötigt der Schall 0,0034s um einen Meter zurückzulegen.

Folgende Tabelle soll uns Näherungswerte liefern, wie lange der Schall auf den üblichen Bogenjagdentfernungen benötigt, um das Wildtier zu erreichen.

Gehen wir davon aus, dass sowohl der Schall als auch der Pfeil gleichzeitig starten. Somit legt auch der Jagdpfeil eine gewisse Strecke zurück, während das Schussgeräusch bei der mutmaßlichen Beute ankommt.

An dieser Stelle begegnen uns immer wieder diverse Theorien und Vorlieben. Manche Bogenjäger bevorzugen die Vorteile eines schnellen Pfeils und einer flachen Flugbahn über die Geräuschminimierung des Bogens und wählen ihre Pfeile so leicht wie sie es bezüglich der angestrebten Wildart für noch gerade vertretbar halten. Andere versuchen mittels schwerer Pfeile nicht nur deren Tiefenwirkungspotential zu optimieren, sondern nutzen dabei auch den Nebeneffekt, dass ein schwerer Pfeil mehr Energie aufnimmt und den Bogen beim Abschuss leiser macht.

Rein rechnerisch kann man dabei für jedes erdenkliche Potential leicht ermitteln, um wie viel sich das Wild aus der Flugbahn bewegen kann. Die Ergebnisse sollen sodann bei der Entscheidung für die Wahl und der Einstellung des Jagdsetups hilfreich sein.

Extrembeispiele lasse ich dabei außen vor. Bewusst wähle ich einen Geschwindigkeitsbereich, in dem sich die meisten Jagdpfeile bewegen. Der Bereich von 65 – 85m/s (213 – 279 Fuß pro Sekunde) sollte eigentlich das Wesentliche abdecken. Für Pfeilgeschwindigkeiten ober- und unterhalb dieses Bereichs, kann der Leser sodann analog dazu seine eigenen Berechnungen durchführen.

Wichtig

„Wer immer mit dem Schlimmsten rechnet, bewahrt sich vor bösen Überraschungen.“

Diesem Grundsatz folgend, gehen hier wir stets vom ungünstigsten Fall aus. Das bedeutet, dass das Wildtier nicht mehr zu 100% vertraut, sondern bereits aufmerksam ist. Allerdings hat es den Jäger noch nicht eräugt, sodass nur eine akustische Stimulation eine eventuelle Fluchtreaktion auslösen kann. Wurde der Bogenjäger visuell entdeckt und als mutmaßliche Gefahr eingeordnet, ist eine Schussabgabe ohnehin meistens zu riskant.

Lass uns den Worst Case berechnen

Den ballistischen Koeffizienten (Luftwiderstandsbeiwert cw) lasse ich auf solch kurzen Distanzen unberücksichtigt, da sich bei normalen Jagdpfeilen die Geschwindigkeitsabnahme nur minimal bemerkbar macht. Auf 40 Meter Distanz sind es gerade mal 1,5 bis 2m/s, die der Jagdpfeil an Geschwindigkeit einbüßt. Auf 20 Meter Distanz liegt der Wert unter 1m/s.

Gehen wir zunächst von einer Pfeilgeschwindigkeit von 65m/s und einer Distanz von 20 Metern aus.
Die Strecke, die der Jagdpfeil während der Schallausbreitung zurücklegt, ergibt sich aus dem Produkt der Pfeilgeschwindigkeit und der Zeit.

Wir wissen nun, dass der Pfeil bereits 4,42 Meter zurückgelegt hat, wenn das Schussgeräusch an den Lauschern des Wildes angekommen ist. Bleiben also noch 15,58 Meter.

Nun wird es etwas knifflig. Bislang habe ich keine Quellen finden können, aus denen man die Reaktionszeit von Wildtieren auf akustische Signale wissenschaftlich bestimmt hat. Wer hierzu eine Quelle hat, kann sie mir gerne mitteilen. Da wir zumeist Wirbeltiere bejagen, habe ich die Reaktionszeit des Menschen mit ca. 0,12-0,18 Sekunden zugrunde gelegt.

(Siehe auch: Reaktionszeiten & Uni-Erfurt )

Gemäß unseres „Worst-Case-Grundsatzes“ nehmen wir an, dass Fluchtwild ein wenig flotter reagiert und runden diese Reaktionszeit, also von der Reizaufnahme über die Weiterleitung, die Verarbeitung im Gehirn und wiederum die Weiterleitung an die Muskulatur, auf 0,1 Sekunden ab. Schneller reagiert wohl nur eine Stubenfliege. Diese hat allerdings deutlich kürzere Wege in den Nervenleitungen.

Dem Pfeil bleiben also weitere 0,1 Sekunden, um sich dem Wild zu nähern. Bei 65 m/s sind das demzufolge s2 = 6,5 Meter.

Nun kommen wir zu Punkt X, also dem Punkt der Pfeilposition an dem das Wildtier seine Fluchtreaktion startet und eine Bewegung einsetzen kann. Dieser ergibt sich einfach aus der Summe von s1 und s2.

Wir erhalten 10,92 Meter.
Bleiben demnach noch 9,08 Meter bis zum Ziel. Nennen wir diesen Weg sx.

Als nächsten Wert muss die Zeit ermittelt werden, die der Pfeil für diesen Restweg benötigt, also:

Diese 0,14 Sekunden lang kann sich das Wildtier also von seiner ursprünglichen Position entfernen. Betrachten wir nun die Bewegung des Wildes. Manche Beobachter sagen, es würde sich ducken oder geradewegs nach vorne durchstarten (Warzenschwein).

Wild duckt sich nicht; es lässt sich nach hinten-unten fallen, um sodann durch eine entsprechend starke Muskelkontraktion abspringen zu können. Ohne diese Kontraktion kann es nämlich auch nicht nach vorne durchstarten. Da sich kaum ein Tier am Boden festkrallen und nach unten ziehen kann, lege ich die Gravitationskonstante von knapp 9,81 m/s² zugrunde, die analog zum freien Fall den Wildkörper in Richtung Boden beschleunigt. Tatsächlich wird es sogar etwas weniger sein, da auch hier eine Massenträgheit überwunden werden muss, aber belassen wir es auf diesem Wert.

Physikalisch betrachtet reden wir hier von einer gleichmäßig beschleunigten Translation. Vereinfacht ausgedrückt von einer geradlinigen Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit. Aus einer verharrenden Position heraus erfolgt also eine gleichmäßig zunehmende Geschwindigkeit des Zieles (Wildkörper).

Hierbei gilt es den zurückgelegten Weg (sw) zu bestimmen, den sich das Wild aus der Schussbahn des Pfeils bewegen kann, gemessen von dem Zeitpunkt, ab dem das Abschussgeräusch des Bogens als ein vergrämendes Signal beim Wildtier ankommt und motorisch in eine Fluchtreaktion umgesetzt wird.

Bei dieser eher geringen Pfeilgeschwindigkeit schafft es das Wild also im ungünstigsten Fall, den Treffpunkt um knapp 10cm nach oben zu verlagern.

Vergleichen wir diesen Wert nun mit dem einer Pfeilgeschwindigkeit von 85m/s.

Den 9,6cm des langsameren Pfeils stehen die 2,2cm des schnelleren Pfeils gegenüber. Dieser Unterschied ist beträchtlich, wenn man bedenkt, dass eine Geschwindigkeitssteigerung von nur knapp 31%, die mögliche Abweichung des Treffers um 77% verringert.

Eine Trefferabweichung von 2,2cm liegt noch im Bereich der menschlichen „Wackelamplitude“ und kann bei einer Trefferzonengröße von 10cm im Durchmesser bei einem Wildtier in Rehbockgröße fast schon vernachlässigt werden.

Ein Video sagt mehr als 1.000 Worte

In der Praxis und beim Studium einiger Videos in Zeitlupe kann man beobachten, dass so manches Stück (vor allem hochläufiges Wild) sich nicht nur nach hinten-unten fallen lässt, sondern auch noch gleichzeitig etwas zur Seite. Meist in die vom Schützen bzw. der Geräuschquelle abgewandte Richtung. Wir haben es hier also mit einem weiteren Faktor zu tun, der die Trefferlage unter Umständen höher zustande kommen lässt, als vom Schützen beabsichtigt. Ein exaktes Maß lässt sich nur unzureichend vorherbestimmen. Folgende, einfache Abbildungen sollen das Problem verdeutlichen.

Hier herrscht die theoretische Annahme eines waagerechten Schusses (Erdansitz) mit dem Ziel Herzoberkante (Aortabereich). Hierbei ist der Querschnitt eines Wildtieres in Rehbockgröße mit Herz und Lungenflügeln stark vereinfacht dargestellt. Es wird hier angenommen, dass der Wildkörper sich nicht bewegt.

Die zweite Abbildung zeigt nun, dasselbe Stück, welches es innerhalb seiner Reaktionszeit geschafft hat, sich 5cm nach unten fallen zu lassen. Der Pfeil trifft nun zwar höher als gewünscht, jedoch immer noch durch beide Lungenflügel und somit einwandfrei und kurzfristig tödlich.

Dies entspricht in etwa der gängigen „Kill-Markierung“ bei dreidimensionalen Tierattrappen.

Nehmen wir nun an, dass es dieser Rehbock auch noch bewerkstelligt, sich gleichzeitig 30° zur Seite fallen zulassen.

Jetzt wird die Angelegenheit schon etwas knapper. Siehe Abb. 3:

Wie man erkennen kann, ist in dem vorliegenden Fall die seitliche Kippbewegung nicht unbedingt entscheidend. Jedoch wird zumindest der Ausschuss recht hoch erfolgen, wobei vermutlich nur wenig Schweiß aus der Ausschusswunde austreten wird.

Vor allem der Bogenjäger, der sich mit dem Wild sozusagen auf Augenhöhe befindet, sollte also bei Pirsch und Erdansitz, diesen Faktor berücksichtigen. Je höher der Jäger sich über dem Stück befindet, umso geringfügiger wird sich eine solche Bewegung auf die Trefferlage auswirken. Es gibt also einen weiteren Grund, warum der Baumansitz (Treestand) so beliebt und erfolgreich ist. Der Ausschuss erfolgt dabei nämlich eher tief und somit ist für eine eventuelle Nachsuche mit reichlich Schweiß zu rechnen.

Fazit

Soweit die graue Theorie.
85m/s sind für einen Jagdbogen recht flott, aber heutzutage keineswegs ungewöhnlich. Wichtig ist jedoch darauf zu achten, dass man sich das Plus an Geschwindigkeit nicht mit zu leichten Pfeilen erkauft und für den perfekten Treffer das Tiefenwirkungspotential des Pfeils opfert.

Nochmals möchte ich hervorheben, dass wir hier vom maximal ungünstigen Fall ausgehen. Auch mit deutlich langsameren Bögen als 65m/s kann man erfolgreich waidwerken, wenn man einige Grundregeln beherzigt.

Dem Schuss auf ein vertrautes Stück ist stets der Vorrang einzuräumen!

Das vertraute Stück äugt nach dem Bogenschuss mit aufgestellten Lauschern zunächst in die Richtung der Geräuschquelle, bevor es sich zu einer eventuellen Flucht entscheidet. Das gibt auch dem langsameren Pfeil wertvolle Zehntelsekunden. Verlängert sich der Zeitrahmen durch dieses visuelle Sichern auch nur um 0,2 Sekunden, hat das Wild, auch bei deutlich langsameren Pfeilgeschwindigkeiten als 65m/s, keinerlei Chance mehr, sich dem tödlichen Treffer zu entziehen. Ein äsendes oder schöpfendes Wildtier muss jedoch noch lange nicht vertraut sein. Eine Antilope am Wasserloch sowieso nicht.

Der erfahrenere Jäger kann die Vertrautheit des Wildes recht schnell deuten und auch am Lauscherspiel ein eventuelles Scheinäsen gut erkennen.
Neulingen kann ich nur zur Geduld (und einem guten Lehrmeister) raten. Der Ansitz eignet sich hierfür deutlich besser als die Pirsch. Eine intensive Beobachtung und das Studieren der Tiere bringt Einen jagdlich oft weiter als der erste, schnelle Abschuss. An Kirrung oder Wasserloch ist das Wild oft nervöser, auf den Wechseln zu den Einständen oft am ruhigsten. Ein Stück aus einem Rudel zu entnehmen, ist bezüglich einer möglichen Reaktion meistens problemloser als die Jagd nach dem großen Einzelgänger. Die meisten Tiere fühlen sich in der Gruppe sicherer. Einzelne Stücke ohne viel Deckung sind doppelt vorsichtig.

Bei der Pirsch auf ein Rudel muss man aber bedenken, dass dort sehr viele Augenpaare das Vorhaben zunichtemachen können. Hier lohnt sich der Einzelgänger eventuell eher.

In Jagdgebieten mit einem hohen Anteil an Fluchtwild (z.B. Afrika) oder relativ hohem Jagddruck (Gatter), bekommt der Einsteiger sehr oft den Hinweis vom Jagdführer extra tief anzuhalten. Er weiß, warum.

In meinen Gesprächen mit zahlreichen Jagdführern hat sich herausgestellt, dass suboptimale Schüsse bezüglich der vertikalen Trefferposition fast immer zu hoch lagen. Besonders Einsteiger, die zuvor nur auf Schaumtiere geschossen haben, machen diesen Fehler, da bei diesen Zielen die anatomisch perfekte Trefferzone häufig zu hoch eingezeichnet ist. Eine weitere Verschiebung um ca. 5cm nach oben, kann dann mitunter zu einer längeren Nachsuche mit wenig Schweiß führen oder auch als „Spineshot“ (Treffer der Wirbelsäule mit anschließender Lähmung) enden. Beides kann man im Vorfeld vermeiden.

Trotz allem halte ich es für sinnvoll, das Abschussgeräusch des Bogen durch diverse Dämpfermaterialien oder andere Maßnahmen zu minimieren. Die Art des Geräusches, sowie dessen Frequenz und Schalldruck, tragen mit Sicherheit dazu bei, ob das Stück lediglich aufmerksam oder bis „ins Mark“ verschreckt wird.

Merke

Ist der Jäger als Störquelle bereits visuell erkannt worden, reagiert das Wild auf einen eventuellen Schuss entsprechend schneller, da es nicht mehr den Schall des Bogenschlags „abwartet“, sondern sofort auf die Bewegung des Jägers reagiert. Je nach Pfeilgeschwindigkeit kann dies wiederum entscheidende Zentimeter an Trefferabweichung ausmachen. Also, in diesem Fall besser den Finger gerade lassen.

Die Geschwindigkeit des Pfeils ist nur EIN Faktor, mit Hilfe dessen der Bogenjäger entscheiden muss, ob er schießt oder nicht. Die Vertrautheit des Wildes ist mindestens genauso wichtig. Dazu kommen weitere innere und äußere Faktoren wie die eigene körperliche Verfassung (z.B. bei einer kräftezehrenden Gebirgsjagd), das persönliche Schießvermögen (Schieße nur, wenn Du weißt, dass Du triffst!) und auch das Wetter (z. B. die Windstärke).
Der verantwortungsbewusste Bogenjäger setzt in jeder individuellen Jagdsituation seine, für diesen einen Fall gültige Maximalentfernung fest und hält selbige auch ein. Diese Entfernung ist ein Ergebnis vom Abschätzen der inneren und äußeren Umstände und somit in erster Linie Erfahrungssache, aber auch eine Frage des persönlichen Charakters. Unsere englischsprachigen Bogenjagdfreunde nennen diese individuelle Maximalentfernung „Effective Bowrange“.

MG