Vorwort der Redaktion: Dieser Artikel wurde 2013 erstellt. Zu diesem Zeitpunkt waren modernere Schleifgeräte für Endverbraucher, die uns heute (2024) zur Verfügung stehen noch nicht bekannt. Trotzdem bietet der Artikel eine fundierte Basis, aufgrund eine Auswahl getroffen werden kann.
Nicht nur innerhalb der Jägerschaft stellt das fachgerechte Nachschärfen von Klingen aller Art eine gewisse Herausforderung dar. Die Angebote an Werkzeugen, um einer Klinge zu brauchbarer Schärfe zu verhelfen sind so zahlreich wie die Bücher, Ratgeber in Internet-Foren oder die Videoanleitungen auf Youtube.

German Kinetic

Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass ein erfolgreiches Ergebnis sehr individuell ausgeprägt ist. Ich möchte deshalb an dieser Stelle keine Wertung vornehmen, welches Schärfgerät nun besser oder schlechter funktioniert. Anwender A kommt mit dem Gerät X sehr gut zurecht, Anwender B dafür mit Gerät Y, aber nicht umgekehrt. Auch wenn alle Schärfgeräte nach dem Prinzip arbeiten, dass sich im Endeffekt zwei schräge Winkel der Schneide an einer gemeinsamen Kante (Schneidkante) treffen, werden unterschiedliche Wege beschritten, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Unterschiedliche Schärfmethoden führen meistens zu qualitativ unterschiedlichen Ergebnissen. Ob man nun mit den stark spanabnehmenden Schnellschärfern „ratz-fatz“ über die Klinge fährt, teure Schärfgeräte mit unterschiedlichsten Schleif- und Abziehmedien sowie variablen Winkeleinstellungen einsetzt oder bei meditativer Musik und einer Flasche Single Malt Scotch auf dem japanischen Wasserstein in Achterloopings „rumschwurbelt“, bleibt jedem Anwender selbst überlassen, solange das Ergebnis dem zugedachten Einsatzzweck gerecht wird.

Schleifwinkel und Reproduzierbarkeit

Der Schleifwinkel bzw. dessen konstante Reproduzierbarkeit stellt vor allem bei freihändigen Methoden ein Problem dar. Aber auch bei so gut wie jedem Schärfgerät, das eine Einstellung und Bemaßung des Schleifwinkels bietet, stößt man auf Schwierigkeiten. Wer sich noch an die Grundlagen der Winkelberechnung im Geometrieunterricht erinnert, wird begreifen, dass jede Winkeleinstellung sich auf einen ganz bestimmten Punkt bezieht. Das bedeutet, dass der Punkt, an dem das Schleifmedium die Schneide berührt, sich in einem bestimmten Abstand und einer bestimmten relativen Höhe zum Drehpunkt bzw. Führung des Schleifmediums befinden muss. So wird beispielsweise der Schleifwinkel eines Lansky De Luxe immer flacher je breiter die Klinge wird, weil die Schneide einen größeren Abstand zur Klemme hat als bei einer schmaleren Klinge. Meines Wissens gibt es nicht ein einziges Schärfgerät mit verstellbaren Schleifwinkeln für „Endverbraucher“, bei dem man diesen Umstand nicht berücksichtigen muss. Dieser Beitrag wird jedoch zeigen, dass es Mittel und Wege gibt, diesen Effekt zu kompensieren. Natürlich treffen die gemachten Aussagen nicht nur auf die Klingen der Jagdspitzen zu, sondern ebenso auf das Gebrauchsmesser.

Der Materialabtrag – So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich

Eine Schneide, die z. B. während des Probeschießens und Trainings ein gewisses Maß an Schärfe eingebüßt hat, kann man mit relativ wenig Aufwand und Materialabtrag nachschärfen. Deshalb ist es sinnvoller, lieber öfters ein leichtes „Touch-up“ vorzunehmen als eine völlig herunter gearbeitete Schneide neu aufbauen zu müssen. Nachschärfen ist IMMER mit Materialabtrag und somit Masseverlust verbunden. Dieser ist jedoch sehr gering, wenn man den oben genannten Ratschlag beherzigt. Fachgerecht nachgeschärft liegt der Verlust an Masse bei ca. 0,5grains (0,03Gramm) bei einem Zweischneider und zehnmaligen Nachschärfen. Ich könnte also eine 150gr.-Jagdspitze an die 100 Mal nachschärfen bis sich ein Masseverlust um 5 auf 145grains eingestellt hat. Selbst deutlich über jagdliche Entfernungen hinaus, sind die Auswirkungen dieses Gewichtsverlustes (ca. 1% des Pfeilgesamtgewichts) relativ unbedeutend.

Einstellen der individuellen Schleifwinkel

Anhand eines meiner Schärfgeräte (hier der Wicked Edge Sharpener) möchte ich das Einstellen des Schleifwinkels und die Auswirkungen anschaulich erläutern. Der WE-Schärfer erlaubt das Schärfen von beiden Waten, ohne die Klinge umspannen zu müssen. Auf je einer Skala kann man den Winkel pro Seite einstellen und fixieren. Nun kommen wir zum dem Punkt „Winkelabweichung“, den ich oben schon erläutert habe. Die Angaben der Winkelskala beziehen sich auf eine bestimmte Klingendicke und eine bestimmte Klingenbreite (bzw. –höhe), damit sie dem tatsächlichen Schleifwinkel entsprechen.

WE_Setup

Hier dient eine zweischneidige Jagdspitze mit 38° Schleifwinkel, also 19° pro Wate, als Beispiel. Diese ist natürlich dünner und kleiner als das erwähnte Standardmesser, das zu dieser Winkelskala passt. Wichtig ist, beim Einspannen der Klinge eine reproduzierbare Position (Anschlagskante) zu finden, damit ich bei mehreren Spitzen nicht alles neu einrichten muss.

Reproduzierbarer Anschlag

Die „Bevel Box“

Bevel Box

Nun kommt ein wichtiges Hilfsmittel zum Einsatz, die „Bevel Box“. (Man findet sie relativ schnell im Internet) Diesen kleinen digitalen Winkelmesser kann man in jeder beliebigen Position auf Null setzen und somit relativ zu einer bestimmten Fläche ausrichten. Hier ist das die Arbeitsunterlage, auf dem unser Schärfgerät befestigt ist.

Winkeleinstellung

Anschließend kann man die Bevel Box an einer Kante, die parallel zum Schleifwinkel steht, ausrichten. In diesem Fall geht das sogar mittels eines integrierten Magneten, da der Schleifmittelträger aus Stahl besteht. Da ich, gemäß des gewünschten Minimalabtrags, lediglich die Schneide (äußerste Kante) nachschärfen und nicht einen komplett neuen Watenwinkel anschleifen möchte, wähle ich den Winkel etwas größer als den Winkel der Wate. In diesem Falle um 1°, also 20° pro Wate.

Der Abstand

Dieser Winkel von 20° stellt zudem sicher, dass ich beim Schleifen das Gehäuse der Jagdspitze nicht verkratze. Wie man sieht, gibt es bei echten 20° Schleifwinkel noch einen deutlichen Abstand zwischen dem Schleifmedium und dem Jagdspitzengehäuse. Wer also bei diesem Typ Jagdspitze, hier eine German Kinetics 180grains der ersten Generation, beim Schärfen das Gehäuse touchiert, dessen Schleifwinkel liegt deutlich unter 20°. Egal, was die Anzeige des jeweiligen Schärfgeräts angibt. Beim Wicked Edge kann man klar sehen, dass sich die Angaben des Winkels unterscheiden, obwohl beide auf exakt 20° justiert sind.

Winkelunterschied

Das Schliffbild gibt Auskunft

Am Schliffbild ist gut zu erkennen, dass dieser Unterschied von nur 1° dazu führt, dass das eigentliche Schärfen und somit der notwendige Materialabtrag auf nur ca. 10-15% der herstellerseitig angeschliffenen Wate erfolgt. Der Abtrag ist minimal und das Nachschärfen führt schnell und unproblematisch zum Erfolg.

nur ein kleiner Bereich wird nachgeschliffen

Natürlich kann man den beliebten „Edding-Trick“ auch hier anwenden. Wenn man also sicher gehen möchte, dass das Schleifmedium die äußerste Kante wirklich erreicht, kann man die Schneide mit einem Filzmarker nachziehen und nach einem Schleifzug die blanke Stelle begutachten. Generell genügt es aber, nachzuprüfen, ob sich auf der gegenüberliegenden Seite ein Grat aufgeworfen hat. Diesen kann man fühlen. Beim Wicked Edge wird dieser Grat abwechselnd von einer auf die andere Seite „geworfen“ und mit dem feiner werdenden Körnungsgrad der Schleifmedien wird er ebenfalls immer feiner. Den letzten Rest kann man mittels 7000er Diamantpapier spiegelblank polieren oder am Leder, inklusive diverser Polierpasten, abziehen.
Gut funktioniert hat bei mir auch der Einsatz einer „Einhiebfeile“, welche beim sanften Strich über die Schneidkante (von der Klinge weg) einen sehr feinen Grat hinterließ, der nach dem Abziehen am Leder eine tolle Schärfe offerierte. Für eine Jagdspitze sollte das Ergebnis stets „hair-popping-sharp“ sein. Aus Gründen der Verletzungsgefahr möchte ich aber von dem Rasiertest ausdrücklich abraten, da ich um die unterschiedlich ausgeprägten motorischen Fähigkeiten der Anwender weiß und schon so manchen tiefen Schnitt miterleben musste. Ein sauberer Druckschnitt durch normales Zeitungspapier zeugt bereits von einer guten, jagdtauglichen Schärfe und ist als Test deutlich ungefährlicher.

Fazit

Achten Sie beim Schärfen auf einen reproduzierbaren und korrekten Winkel, der es gewährleistet, dass die Schneidkante erreicht wird. Das Schärfen bedarf bei fast jedem Werkzeug einer gewissen Übung und auch Geduld. Verteufeln Sie nicht sofort das Schärfgerät, wenn es nicht beim ersten Mal zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt. Schärfen Sie Ihre Jagdspitzen frühzeitig nach. Nicht erst, wenn die Schneide schon „rund“ ist. Für die Jagd gilt nach wie vor das Zitat von Fred Bear: „Take a sharp one.“

Rasur mit der Jagdspitze

Hier eine Aufzählung von Schärfgeräten (Stand 2013!), mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Mit ein wenig Internetrecherche findet man für
fast alle Schärfgeräte deutsche Importeure und auch Videoanleitungen auf Youtube.
Für die Werkstatt:
  • Wicked Edge Sharpener (Deutscher Importeur) Den nehme ich für fast alle Klingen. Besonders gut zum Abrichten auf einen flacheren Watenwinkel.
  • Edge Pro Erfordert ein wenig mehr Übung als der WE, verfügt allerdings meiner Meinung nach über die besten Schärfmedien (Schärfen im Nassverfahren). Ich habe beide Geräte kombiniert (Edge Pro Steine auf Wicked Edge-Handles).
  • Warthog MultiEdge Sehr funktionelles Gerät aus Südafrika. Man kann nahezu jeden Bankstein dort einspannen.
  • Shaptonstones Feinste Hitech-Banksteine für die Freihand-Akrobaten
Für unterwegs:
  • Spyderco Tri-Angle Sharpmaker Für mich auf Jagdreisen unentbehrlich seit über 10 Jahren
  • Sieger Longlife Leicht und schlank im Packmaß. Sehr gute Ergebnisse, wenn es mal schnell gehen muss.